de|Konstruktor #2: Spielentwicklung ist Seelenstriptease
PiHalbe — 1. July 2013 - 17:29
Folge 2 ist da und sie beleuchtet einen Aspekt, der gerne außen vor gelassen wird:
Mehr noch als viele andere Tätigkeiten gibt das Enwickeln von Spielen Auskunft über das Wesen des Entwicklers.
Diese Folge ist etwas nachdenklicher. Ich finde, das ist ein wichtiger Aspekt. Daher wollte ich ihn vorab mal beleuchten. Demnächst geht es dann etwas handwerklicher zur Sache.
Ich hoffe, Ihr Zielgruppe habt Spaß (oder irgendetwas, was so ähnlich ist) damit. Über Rückfütterungen aller Art freue ich mich selbstverständlich.
Vielen Dank fürs Zuhören und natürlich frohes Weiterentwickeln, Euch!
- Artist: PiHalbe
- Title: Spielentwicklung ist Seelenstriptease
- Album: de|Konstruktor
- Track: 2
- Genre: Vocal
- Year: 2013
- Length: 13:49 minutes (8.06 MB)
- Format: MP3 Stereo 32kHz 80Kbps (VBR)
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"Seelenstriptease" ist übertrieben
André (not verified) — 2. July 2013 - 10:08Also, du hast grundsätzlich natürlich recht, dass wann immer man etwas produziert, man auch bestimmte Dinge über sich preisgibt. Die Kehrseite davon scheinst du aber ein wenig zu vergessen: Jede unsere Veröffentlichungen hat auch einen darstellerischen Charakter, die alte Idee vom Leben als Bühne. Das heißt ein Werk, das für die Veröffentlichung bestimmt ist, ist eine Mischung aus intentionalen und unbewussten Elementen, ohne weitere Kenntnisse über den Produzenten ist die Trennung von beiden reichlich schwierig. Plaktives Beispiel ist das überaus grafische Axtmörder-Rollenspiel jetzt Ausdruck einer labilen Persönlichkeit, eines Provokateurs oder eines unreflektierten Splatterfilmfans? Dazu kommt, dass ein Rollenspieldesigner womöglich fremde Ideen zum Beispiel aus anderen Medien veröffentlicht. Manchmal wird ein Denkmodell oder eine Geschichtenstruktur genommen und in Regelform gegossen, über den Ausführenden sagt das dann vielleicht nicht viel mehr aus, als dass er das Ausgangsmaterial interessant fand.
Das bringt mich zum zweiten Punkt. "Seelenstriptease" verstehe ich als das Offenlegen der intimer Anteile der eigenen Innenwelt. Ich will nicht sagen, dass es keine Rollenspielprodukte gibt, bei denen genau das passiert ist, aber dass das nun grundsätzlich der Fall sein soll, da kann ich nicht mitgehen. Ob das Innere dann tatsächlich von Selbstinszenierung zu unterscheiden ist (die sicherlich auch etwas über einen aussagt, aber eben nicht die gleiche Authenzität hat), ist auch nicht gewiss.
Sicher, der Titel ist
PiHalbe — 3. July 2013 - 8:29Sicher, der Titel ist übertrieben. Und zu Zwecken der Verdeutlichung ist auch der Inhalt übertrieben.
Dennoch finde ich, dass gerade im Indie-Bereich sehr viel Seele in so ein Spiel fließt. Daraus ein Profil des Designers zu erstellen wird sicher schwer, dafür gibt es einfachere Wege. Aber es offenbart eben doch ein Stück weit. Wenn ich mich recht entsinne habe ich das auch gar nicht als etwas negatives dargestellt, sondern als etwas wünschenswertes, weil es das Spiel viel persönlicher, ungewohnter und damit ergreifender macht.
Den selbstdarstellerischen Aspekt würde ich meist aber eher nur als Fassade ansehen. Darunter liegt meist doch ein Teil der Entwicklerseele verborgen. Und die Inspirationen sind – wie angesprochen – ein Teil der Welt des Autors.
Wie gesagt: Übertreibungen zur Verdeutlichung, so wie man eine Zelle unter ein Mikroskop legt um zu sehen, was darin passiert. Und es mag klein sein, aber es passiert.
Ich dachte zunächst auch,
André (not verified) — 3. July 2013 - 11:35Ich dachte zunächst auch, dass es polemisch gemeint war, dann hast du das aber so mit Überzeugung gesagt, dass ich mir nicht mehr sicher war. ;)
Negativ finde ich es auch nicht, obwohl es vielleicht nicht jeder möchte. Und da würde ich vielleicht die kleine Sorge haben, dass wenn man Spieldesign als etwas sehr Enthüllendes darstellt, manche potentiellen Entwickler abgeschreckt werden. Obwohl ich mir zugegeben kaum vorstellen kann, dass das der Fall ist.
Klar, Selbstdarstellung kann Fassade sein, auch hochpolierte Facetten unserer Persönlichkeit, die wir übertreiben, aber kann man Inneres gewiss von Selbstdarstellung unterscheiden, war mein Einwand. Allerdings wenn du das vorallem mit einer höheren Qualität eines Rollenspiels in Verbindung bringst, wäre das ja letztlich egal.
Ich möchte nur, dass sich die
PiHalbe — 3. July 2013 - 11:43Ich möchte nur, dass sich die Leute dessen bewusst sind und dann nicht plötzlich kalte Füße bekommen oder so. Wer sich also dadurch abgeschreckt fühlt, für den ist das vielleicht in Ordnung. So denke ich mir das.
Um den Gedanken mit der Selbstdarstellung etwas weiter zu spinnen: Ich gehe jetzt mal den vollen Schritt und mache Profiling von Spielentwicklern. Bei jedem einzelnen Spiel kann ich mir nicht sicher sein, was Seele und was Fassade ist. Nehme ich viele (unterschiedliche; nicht immer die Neuauflage von Siedler!) Spiele zusammen, dann komme ich der Wahrheit unweigerlich bedeutend näher.
Selbst DSA
Drak — 10. November 2013 - 16:12Ich denke, auch nicht-Indie-Spiele legen sehr viel offen - als offensichtlichstes Beispiel DSA: Wikinger mit absoluter Geschlechtergleichheit, Elfen, die unsere heutige Welt nicht verstehen und völlig in Einklang mit der Natur leben (ohne dabei Leiden zu müssen) und Götter abgelegt haben, die aber korrumpiert werden, wenn sie in Kontakt mit der Welt treten, Orks mit tiefgreifender alter Kultur, dreckige Zwerge, die sich nicht waschen, weil die Fremde sie sowieso sofort wieder beschmutzen würde, Ein-Gott-Gläubige, die alle anderen als verblendete Kinder sehen, usw.
Das offenbart sehr viel von der Seele des Erfinderteams.
Dann würde erst nochmal in
André (not verified) — 3. July 2013 - 15:22Dann würde erst nochmal in Frage stellen, wieviel Seele denn nun tatsächlich in so einem Werk steckt. Nur weil jemand viel von sich einbringen kann, ist das ja nicht immer der Fall. Das innovative Fantasy-Setting meines ansonsten generischen Spielsystems sagt vielleicht viel über die Fantasyliteratur aus, die ich gelesen haben, aber das ist ja keine intime Innenwelt.
Aber gut gehen wir von Spielen aus, wo "Seele" hervortritt. Die relativ konsistenten Anteile der Persönlichkeit, soetwas was mit den Big Five beschrieben wird -- keine Ahnung, ob man die verlässlich zuordnen könnte -- sind ja eigentlich gar nicht so interessant, sondern mehr die Einstellungen, persönlichen Krisen oder Beziehungen. Und da hast du es mit einem "Ziel in Bewegung" zu tun. Sagen wir man macht ein Rollenspiel über Trauer basierend auf eigenen Erfahrungen, dieses Werk ist Teil der Verarbeitung und am Ende ist man mit diesem Thema vielleicht fertig und macht nie wieder ein Spiel darüber.
Also letztlich würde ich das mit Literatur vergleichen. Die Autoren, die wirklich tiefgehende Themen behandeln, sind deshalb noch nicht leicht zu fassen. Es gibt zwar viel Spekulation über die Natur ihrer Werke, man kann auch subjektiv das Gefühl entwickeln, jemanden zu verstehen, aber es gibt doch keinen Konsens, eine gewisse Unsicherheit über den Autor bleibt bestehen, trotz hinzugezogener Biographie, Interviews mit Bekannten und Verwandten, vielleicht sogar Briefen oder Tagebüchern. Das liegt natürlich auch daran, dass Menschen sich selbst praktisch in einem beständigen Konflikt um den eigenen authentischen Kern befinden. Wie oft wird man wieder mit etwas konfrontiert, dass man mal von sich gegeben hat, und es kommt einem richtiggehend fremd vor.
Schließlich würde ich mich fragen, ob nicht dem "Risiko" zu genau erkannt zu werden, das "Risiko" nicht verstanden zu werden gegenüber steht.
Ohren auf!
Waylander (not verified) — 20. July 2013 - 21:08Toller Podcast! Ich finde das Format und die Inhalte total interessant. Mir gefällt es, das hier das Phänomen Rollenspiel ein wenig auf der Metaebene beleuchtet wird.Für mich ist das Ganze, wie eine Vortragsreihe mit dem Titel "Die Soziologie und Psychologie des Pen und Paper Rollenspiels".Ich werde den Podcast auf jeden Fall gespannt weiterverfolgen.