Rekrutieren neuer Mitspieler — III — Frischlinge
PiHalbe — 20. September 2009 - 12:00
Vermutlich die einfachste Variante an neue Spieler zu kommen ist, Freunde und Bekannte zu Rollenspielern zu konvertieren. Ja, das finde ich tatsächlich. Viele sind dem Rollenspiel aufgeschlossener als man denkt und lassen sich mit den richtigen Anreizen zu einmal ausprobieren verleiten. Dabei bleibt es natürlich meist nicht!
Frischlinge haben den Vorteil, dass sie noch nicht auf ein System eingeschossen sind. Alles ist erstmal recht und billig. Wenn man direkt verschiedene Systeme ausprobiert, fahren sie sich auch nicht so schnell fest. Darüber hinaus haben Frischlinge tendenziell später mit dem Spielen angefangen, als die Alteingesessenen und gehen daher etwas anders an das ganze Konzept heran.
Aber wie genau bekommt man Frischlinge zum Rollenspiel?
Über Brettspiele
Vielleicht der schonendste Weg. Man kann sich hier langsam heran tasten. Etwa mit Siedler beginnen und dann langsam über Munchkin und schließlich Descent oder Hero Quest zum Rollenspiel leiten. Das braucht natürlich lange, führt aber Konzepte Stück für Stück ein. Wie angemessen der Weg ist, hängt natürlich auch vom Spiel ab. Diese Methode eignet sich eher für klassische Spiele.
Den harten Weg
Wenn die Spieler schon von DSA gehört haben oder mal WoW gespielt haben, dann kann man auch direkt den harten Weg gehen und die Kandidaten sofort in die Spielrunde setzen. Dabei kann es für einige Spieler erschreckend sein, wenn sie sich direkt mit Wusten von Regeln auseinander setzen müssen und neben ihnen Hardcore-Spieler sitzen, die das alles schon auswendig können. taktisch viel gewiefter sind und komisches Gebaren an den Tag legen.
Stattdessen empfiehlt es sich eher, erstmal eine kleine Neulingsrunde zu machen, die sich erstmal mit dem grundlegenden Spielprinzip auseinander setzt. Natürlich sollte man allen vorher erkärt haben, worauf sie sich einlassen. Wer die Frischlingrunde übersteht und nach mehr fragt, den kann man dann in die alte Runde integrieren.
Dieser Abschnitt bezieht sich vor allem auf klassische Spiele, die mit einem nicht unerheblichen Regelaufwand verbunden sind und dazu neigen, taktisch zu sein.
Forge-Spiele
Etwas leichter hat man es bei Forge-Spielen. Wer sich bisher gar nicht mit Rollenspielen beschäftigt hat (nicht mal als MMORPG), der hat meist am ehesten zu solchen streng thematisierten Spielen Zugang. Diese vermitteln oft direkt ein bestimmtes Spielgefühl und eine unmittelbare Agenda. Für einen Neuling kann die Fülle der Optionen klassicher Spiele überfordernd sein, Forge-Spiele bestechen oft durch das Fehlen eben dieser Optionen (was wohl einer der eigentlichen Hauptkritikpunkte der öffentlichen Diskussion sein dürfte).
Die neuen Spieler wissen hier, was sie zu tun haben. Das Spiel ist wesentlich konkreter und die unmittelbaren Auswirkungen oft klarer. Das macht Forge-Spiele (nicht alle) leichter greifbar, als klassische Systeme. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Spieler unvoreingenommen sind.
Damit endet die Serie zum Rekrutieren neuer Mitspieler fürs erste. Ich hoffe, ich habe Euch ein paar Ideen und Anstöße geben können, was Ihr gegen akuten Spielermangel tun könnt. Wer ein bisschen Initiative zeigt sollte mit diesen Ratschlägen allerdings nie lange unter Spielermangel leiden. Zumindest für mich haben diese Methoden immer innerhalb kurzer Zeit zu einer neuen Spielrunde geführt. Anlass für die Artikelreihe war mein Umzug von Bonn nach Bremen, wo ich mittlerweile wieder Anschluss an anderthalb Spielrunden habe.
Wie bereits geschrieben, sind die meisten der Tipps persönliche Erfahrungen von mir oder aus meinem Umfeld. Wenn Ihr anderweitige oder ähnliche Erfahrungen habt, dann lasst es die anderen Leser und mich wissen!
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jau
Joni (not verified) — 20. September 2009 - 15:09Schöner Artikel. Man muss aber bei vermeintlich "forgigen" Spielen, vor allem regelarmen, aufpassen. Ein D&D ist zwar komplex, aber es gibt ggf. einen Spielplan (Battlemap), klare Konfliktregeln, schöne bunte Würfel, ein bekanntes Thema. Damit können die meisten Leute etwas anfangen, das können sie einordnen. Ein arges Erzählspiel (The Pool z.B.) ist gar nicht unbedingt so viel leichter zu bewältigen. Es ist zwar regelarm, bietet aber auch nicht viel, an dem sich die Leute festhalten können. Neuling: "Was soll ich tun", SL: "Würfel auf Angriff - + 5 - um zu schauen, ob du triffst", fällt vielen Neulingen leichter, als "Was soll ich tun?" - "Nimm dir 30 Sekunden lang die Erzählrechte und spinne die Handlung weiter."
Aber du beschreibst auch schön ein bekanntes Problem. Neulinge kommen in Rollenspielgruppe, werden mit dem typischen nerdigen Geschätz konfrontiert und sind verwirrt/ abgeschreckt, obwohl sie eigentlich am Spiel Spaß haben könnten. Das liegt aber mehr an der sozialen Kompetenz der Gruppe, wie ich finde, als dass es eine reine Systemfrage wäre.
Freiheit vs. Komplexität
PiHalbe — 22. September 2009 - 10:17Da hast Du natürlich Recht: Es gilt immer ein Gleichgewicht aus überfordernder Freiheit und überfordernder Komplexität zu halten. Ein Einsteiger wird es aber mit einem Lightweight-Regelwerk wie Ratten! vermutlich wesentlich leichter haben, als etwa mit D&D3.5 (ohne das je gespielt zu haben …) oder DSA4.
Noch krasser ist bei My Life with Master schon direkt durch das Regelwerk vorgegeben, was zu tun ist. Die Frage, die Deine Spieler beantworten müssen ist nun nur noch wie. Dieses System nimmt den Spieler sehr an die Hand.
Klar, frei gestreute Erzählrechte wie bei The Pool können verwirrend sein. Aber viele Indies nehmen den Spieler wesentlich besser an die Hand, als die komplexen klassischen Systeme, die eine unüberschaubare Fülle an Optionen (ergo Regeln) bieten. Und die Einarbeitungszeit ist geringer (vgl. 1 Heft vs. 3+ Bücher).
Mit der Sozialkompetenz der Gruppe hast Du im Prinzip auch Recht, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Indie-Runden da oft etwas lockerer sind, weil sie nicht so eine tiefe Einarbeitung erfordern und damit die Verwebung von Spiel und Leben etwas geringer ist (vergleiche Spiel zwischen dem Spiel). Das kann es Neulingen oft einfacher machen.
Systeme mit viel Handlugnsfreiheit
Drak — 21. September 2009 - 17:40Das Problem der Unorientiertheit kenne ich auch. Durch Regeln bekommen Spieler, die Fantasie nicht so gewohnt sind, auch einen Halt.
Allerdings fällt es wieder anderen leichter mit weniger Regeln zu spielen, also hängt das einfach von den Leuten ab.
Auch sonst kann ich mich Joni nur anschließen: Schöner Artikel :)
Allerdings sehe ich aktuell nicht, wie ich ihn praktisch umsetzen kann...