PiCast Fragmente #1: Abstrakte vs gethemte Systeme
PiHalbe — 19. June 2010 - 16:39
PiCast Fragmente ist ein kleines neues Format für meinen Podcast, dass mir erlaubt, auch kurze Gedankengänge zu präsentieren, ohne gleich eine vollständige PiCast-Folge daraus machen zu müssen. Die Fragmente ersetzen den PiCast nicht, sondern ergänzen ihn. Inhalte, die in die Fragmente kommen, hätten es ohnehin nicht in eine ausgewachsene PiCast-Folge geschafft.
Hier also die erste Folge, in der ich auf die Unterscheidung zwischen abstrakten und gethemten Systemen eingehe.
PS: Weiß jemand eine bessere Bezeichnung für letztere Art von Systemen?
Links
- Have Games, Will Travel #17 (von Paul Tevis)
- Artist: PiHalbe
- Title: Abstrakte vs. gethemte Systeme
- Album: PiCast — Fragmente
- Track: 1
- Genre: Podcast
- Year: 2010
- Length: 4:06 minutes (2.83 MB)
- Format: MP3 Stereo 44kHz 96Kbps (CBR)
- Login to post comments
- 16797 reads
- Download audio file
- 25746 downloads
- 75 plays
Finde die Einteilung nicht
1of3 (not verified) — 20. June 2010 - 15:27Finde die Einteilung nicht ganz einfach.
Könnte ich mir nicht z.B. die Matrix-Regeln von SR nehmen und die auf ein anderes Modell (um mal die Sprache der Logik zu verwenden) anwenden? Vielleicht wäre das - ich spekulier jetzt mal blöd rum - auch passend für das Steuern von Raumschiffen. Da loggt man sich dann nicht in einen Knoten ein, sondern macht einen FTL-Sprung in ein neues System, und entsprechend werden alle Mechanismen einmal umgepinselt.
Wäre das nicht möglich?
Relativ
PiHalbe — 20. June 2010 - 21:55Ja, erstmal sind das natürlich keine klaren Grenzen. Und natürlich kann man auch Regeln für eine Sache noch für andere Sachen verwenden, per Zufall oder Analogie sozusagen. Die Frage ist nur: wäre das ein Regelwerk, das auch gänzlich ohne Vorstellung (also weder Matrix noch Raumkampf) einen Sinn ergibt, irgendwie durchdacht scheint.
Oder sagen wir es anders: abstrakte Systeme fokussieren auf die Interaktion der Elemente und bieten ein universelles Grundgerüst, gethemte Systeme sind spezifisch auf die Bedürfnisse der jeweiligen konkreten Fiktion zugeschnitten und bilden diese ab.
In der Hinsicht ist für mich auch B&B ein abstraktes System, was ich daran auch sehr schätze. Die Konfliktregeln etwa sind ja ein mechanisch geschlossenes Konstrukt, das mehr auf der Interaktion der Elemente als auf der Darstellung konkreter Fiktion fußt.
Hui, ich hoffe, das ist nicht zu verwirrend geschrieben.
Interaktive Vorstellung vs. Kino (Provokation :) )
Drak — 21. June 2010 - 8:10Meinst du dadurch mit gethemt, dass das System die Story als Regelbestandteil braucht?
Also bei beidem die Unterscheidung, ob das System als reines Brettspiel ohne Rollenspielanteil funktionieren würde?
Um das noch einen Schritt weiterzutreiben: Heißt abstraktes System, dass das System selbst keine Rückkopplung durch die Vorstellung der Spieler nutzt (anders wäre es nicht in sich geschlossen)?
Noch provokativer: Heißt es, dass in abstrakten Systemen die Vorstellung zum reinen Kopf-Kino wird und nicht mehr auf die Handlung einwirkt? Mit der Reinform in einem Brettspiel mit Flufftexten?
Hmm
PiHalbe — 21. June 2010 - 17:15Bei gethemten Systemen wird die Fiktion durch die Regeln abgebildet und analysiert.
Bei abstrakten Systemen wird durch die Regeln die Dynamik der Fiktion bestimmt, nicht aber Inhalte. Die Regeln können analog durch die Dynamik der Fiktion ausgelöst werden, aber konkrete Inhalte sind dafür nicht von Nöten.
Gehen wir ins Extrem: Auch bei abstrakten Systemen braucht man noch das Rollenspiel, sozusagen als Rechfertigung für den Gebrauch bestimmter Regeln. Aber diese sind eben auf abstrakte Konzepte gemünzt und nicht auf konkrete Inhalte. Wenn das Rollenspiel nicht mehr benötigt wird, haben wir ein Brettspiel mit bunten Bildern im Kopf.
allgemein vs spezifisch?
Drak — 21. June 2010 - 23:56Meinst du dann einfach den Unterschied, ob eine Regel allgemein anwendbar ist (Fertigkeitswurf, um einen bestimmten Effekt zu erzielen, oder lange Probe, bei der die Dauer durch den Erfolgsgrad geteilt wird) oder ob sie nur für eine spezifische Situation passt (Treffenzonenwurf für die Flechettepistole mit brüchigen Pfeilen statt Splittern)?
"Bei abstrakten Systemen wird
1of3 (not verified) — 23. June 2010 - 9:30"Bei abstrakten Systemen wird durch die Regeln die Dynamik der Fiktion bestimmt, nicht aber Inhalte."
Aha. Das versteh ich besser. Vielleicht sollte man "vorwiegend - weniger" schreiben. Also:
"Bei abstrakten Sytmeen wird durch die Regeln vorwiegend die Dynamik der Situation bestimmt, weniger der Inhalt."
Ich glaube zwar, dass man das eigentlich noch besser ausdrücken können müsste, aber ich ahne was du meinst. Das Spiel wird also nicht nur deshalb "gethemt", weil bestimmte Spielelemente für Dinge in der Spielwelt stehen (so steht ja selbst bei Capes der Debt-Wert für die Verwantwortung eines Superhelden), sondern das fiktiven ABLÄUFE in der Mechanik nicht vorgezeichnet sind.
Insofern hast du Recht. Ein verwirrender Angriff bei B&B ist eine Aufforderung an den Spieler, seine Aktion doch bitte in einer Weise zu beschreiben, die man guten Gewissens verwirrend nennen kann. Es wird aber nicht vorweggenommen, was genau da passieren soll. Aufgabe des Spielers ist es jedes mal wieder selbst eine Interpretation zu finden, um das mechanische Gimmick selbst passend in die Fiktion einzufügen.
Seh ich das richtig?
Dann wäre die Opposition vielleicht eher zwischen Mechanismen, die tatsächlich Interaktion beschreiben, und solchen, die nur Potentiale beschreiben.
Genau, ja
PiHalbe — 23. June 2010 - 10:42Nun, ich stelle das natürlich absichtlich in einer binären Unterteilung dar, weil Extreme leichter zu entdecken, unrealistisch und provokanter sind. Aber im Prinzip ist es das, was ich meine.
Die Regeln von B&B etwa beschreiben ganz klar, welche Handlungsoptionen man in einer Situation hat ohne größeren Input des Geschehens und funktionieren in der Hinsicht ähnlich einem Brettspiel. Die Anwendung der Mechanik wird durch die Erzählung ausgelöst. Und natürlich ist es schön und stimmungsvoll, das gesamte Geschehen in eine Erzählung zu packen.
Anderer Name
Jan — 21. June 2010 - 10:38Also das Gegenteil von "abstrakt" wäre "konkret", damit wären gethemte Systeme konkrete Systeme. Ist aber sicher missverständlich.
Kurz, aber (noch) nicht gut!
Greifenklaue (not verified) — 2. August 2010 - 19:40So, heute angehört, mich hast du aber leider recht schnell verloren - mir wurde nicht klar, worauf du hinauswillst, worin Dein Ziel besteht. evtl. wäre es gut gewesen, den angesprochenen Artikel kurz vorzustellen und genau zu erklären, wie du diese Kriterien auf`s rollenspiel ummünst. Was ich mich zudem gefragt habe, wo ordnest Du umfangreiche Regelgerüste z.B. von GURPS ein. Oder splittest du die in allgemeine und spezifische teile auf? Wie müßte man dann z.B. Schußwaffenregeln einordnen, die in einigen, aber nicht allen Settings vorkommen?
Ansonsten bin ich gespannt, wie sich das Format entwickelt!
Hinauswoll
PiHalbe — 3. August 2010 - 7:52Worauf ich hinaus wollte ist eigentlich nur, dass es da eine recht grundlegende Unterscheidung gibt, ob man eine Mechanik hat und eine Fiktion drum baut (abstrakt) oder eine Fiktion hat und eine Mechanik gestaltet, welche dazu passt (gethemt). Und es gibt Leute, die mit dem einen besser klar kommen und Leute, die mit dem anderen besser klar kommen. Mich selbst würde ich etwa ein gutes Stück Richtung abstrakter Systeme positionieren (zumindest beim Rollenspiel … curioser and curioser).
Bei GURPS sind doch eigentlich das einzige abstrakte die Charakterpunkte und das Gewürfel mit 3W6, wenn ich das richig im Kopf habe. Eigentlich alle anderen Regeln kommen mit einem ganz konkreten Fiktionsbezug und führen Sonderfälle ein, um genau das zu modellieren. Ohne die Vorstellung vom Schusswaffen würden die Regeleffekte von verschiedenen Munitionstypen keinen Sinn für das (abstrakte) Spiel ergeben. So genau habe ich GURPS aber leider nicht mehr im Kopf.
Im Prinzip müsste sich mMn eine klare Grenze zwischen beidem ziehen lassen, die man aber nur ausmachen kann, wenn man weiß, warum der Designer eine Regel so gestaltet hat: ist sie in sich schlüssig und interessant vs modelliert sie die gewünschte Fiktion?