A Dirty World (EinzelKnaller)
PiHalbe — 7. August 2009 - 9:59
Kürzlich — nein, damals — im EinzelKnaller: A Dirty World von Greg Stolze. Unser SL hatte es ausgegraben, da er erstens die One-Roll Engine (ORE) ausprobieren wollte und zweitens Lust auf ein Noir-Rollenspiel hatte.
Um ein bisschen Paranoia zu schüren, durften wir die Charaktere der jeweils anderen Spieler nicht kennen — nur oberflächlich. Es ging um einen Mord (wen wundert's) an einem Politiker und es war offen, ob ein NSC der Schuldige war oder ein SC oder ob (beim Noir am wahrscheinlichsten) jeder irgendwie damit zu tun hatte.
Die Spieler-Charaktere wurden dann auch gleich dem Noir-Klischee gerecht:
- Der gehasste Sohn des Opfers
- Seine Femme-Fatale-Schwester
- Ihr Gärtner
- Der Privatdetektiv (meinereiner)
Jeder der Charaktere kannte ein dunkles Geheimnis eines anderen SCs und auch einiger NSCe. Geheimnisse sind für den sozialen Konflikt, was Waffen für den körperlichen sind.
Die One-Roll Engine sorgt dafür, dass man als SC mit Werten anfängt, die sich andauernd verändern. Je zwei Attribute stehen sich gegenüber uns schließen sich teilweise aus (man kann nicht in beidem hohe Werte haben).
Ein Beispiel dazu: Mut «» Grausamkeit. Mut wird benötigt, um einen überlegenen Gegner anzugreifen (oder sonst wie mutig zu sein), während mit Grausamkeit einem bereits Unterlegenen oder Hilflosen noch weiteres Übel zugefügt wird. Dass sich diese Charakterzüge teilweise ausschließen verwundert nicht besonders.
Durch die Attribute wird damit auch die Vorgehensweise bestimmt. Die Werte ändern sich aber durch verlorene Konflikte (meist Verschieben der Punkte von eine Seite auf die andere, manchmal aber auch Verlieren der Punkte) oder besonderes Verhalten in Szenen recht stark. Interessanter Weise hatten wir aber am Ende des Spiels nur sehr wenig Unterschied zur Ausgangssituation. Übrigens ist dieses System tatsächlich auch fürs Metaspielen gedacht, sodass man schon mal mutig ein Geheimnis preisgeben sollte, bevor man sich in einer kommenden Szene mit dem überlegenen Mafiaboss anlegt. Das mag jeder anders sehen, aber mir gefällt sowas.
Von dem namensgebenden Bestandteil der ORE haben wir allerdings nicht viel gemerkt. Aus dem Würfelwurf wird nicht nur Erfolg/Misserfolg gezogen, sondern Höhe und Weite des Ergebnisses. Viele Informationen aus einem Wurf. Das führt bei vielen Beteiligten mit vielen Würfeln zu einem ziemlichen Hickhack bei der Auswertung eines Konfliktes. Kam bei uns aber nur drei mal so vor.
Bei ADW werden (fast) nur Konflikte zwischen Menschen ausgespielt und es gibt nicht die Möglichkeit, jemanden direkt zu Aktionen zu zwingen (vergleiche Überreden bei den meisten Systemen). Statt dessen werden die Attribute runter gewürfelt, so lange, bis derjenige sich nicht mehr wehren kann und aufgibt, bevor er ganz ohne Punkte dasteht. In der Theorie. Tatsächlich kam es so, dass Charaktere, die bereits eingelekt hatten, dann noch weiter mit Konflikten traktiert wurden. "Zur Sicherheit, damit er uns nichts mehr tun / vorlügen / verheimlichen kann." Das war natürlich ätzend, besonders für die betroffenen Spieler.
Trotz all der Schwächen ist die ORE jedoch nicht schlecht für diese Art Noir-Spiel geeignet und unterstützt den entsprechenden Spielstil recht gut.
Und gleich kommt ein kleiner Spoiler.
Tatsächlich war es im Spiel so, dass alle NSCe unschuldig im Sinne des Mordes waren. Durch die vom SL geschürte Paranoia jedoch (und auch durch meinen Grundsatz: "Den spiele ich jetzt aber wie einen echten hardboilded PI!"), kam im Laufe der Ermittlung immer wieder ein wenig PvP auf. Zum Glück nicht PvP der destruktiven, nervtötenden Art, sondern eine gesunde Noir-Jeder-hat-was-zu-verbergen-Stimmung.
Bei einer anonymen Umfrage des SLs wurden dann auch promt zwei der SCe als Hauptverdächtige genannt. Und nicht nur einmal. Das war sehr lustig.
Leider war am Ende die Auflösung des Ganzen dann sehr banal (aber immerhin haben wir sie selbst erarbeiten können — das ist für ein Detektiv-Abenteuer schon beachtlich!) und hätte spannender sein können. Der Weg war hier ganz klar das Ziel. Und alle Charaktere waren sauber mit der Geschichte verwoben, sodass das Spiel niemals ins Stocken geriet, sondern wir am liebsten überall gleichzeitig hin gefahren wären. Wenn sie mich gelassen hätten, hätte mein Charakter sich auch mit den Beweisen und der Zweit-Femme-Fatale aus dem Staub gemacht.
Alles in allem hatten wir eine sehr unterhaltsame Noir-Runde, in der Detektiv-Spiel sich mit PvP-Elementen verwob, das Ganze in einen düster-dreckigen Rahmen gepackt. Sehr spaßig.
Bild: Greg Stolze
- PiHalbe's blog
- Login to post comments
- 6193 reads
Migration der Kommentare
PiHalbe — 23. August 2009 - 10:12Kleines Addendum
Die dynamischen Werte, die sich als Reaktion auf das Verhalten der Spieler verändern sind eine Besonderheit von A Dirty World und kein Bestandteil der ORE an sich. Zur One Roll Engine gehört eigentlich nur der besondere Würfelwurf, der einem mit Höhe und Weite gleich doppelte Information gibt. Davon hat man bei ADW wirklich nicht viel mitbekommen, da wir meist soziale Konflikte hatten, bei denen die Geschwindigkeit keine Rolle spielte (Weite bestimmt Geschwindigkeit, Höhe Qualität). Für kampflastigere Spiele wie z.B. Reign stelle ich mir das aber klasse vor: Initiative und Schaden in einem Wurf!
Wer übrigens ADW mal selber ausprobieren möchte: hier gibts das Einführungsabenteuer Shades of Gray, das wir an dem Abend gespielt haben. Besonders gut hat mir die Struktur des Abenteuers gefallen, die für ein Detektivabenteuer wirklich optimal ist.
Klingt interessant
und ich hatte Spaß am Lesen.
Danke für den Beitrag!