Beschreibe, aber fasse Dich kurz
PiHalbe — 13. April 2009 - 10:07
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Immer wieder kommt es in Spielrunden vor, dass jemand etwas beschreibt. Das ist so üblich und so sollte es auch sein. Das mag das Auftreten eines Charakters betreffen, einen neuen Ort, der betreten wird, den gerade anrauschenden Patrouillenflieger oder die innere Gefühlswelt einer Figur. Solche Beschreibungen sind wichtig, damit alle Teilnehmer des Spiels wissen, womit sie es zu tun haben; außerdem tragen sie zur Atmosphäre bei.
Dabei wird allerdings oft eine Sache verwechselt. Viele verwechseln Qualität mit Quantität. Endlose Ereiferungen über das komplexe Muster des Wandteppichs sind nicht nur ermüdend, sondern auch meist belanglos. Und sie tragen auch nichts zur Stimmung bei, sondern lenken im Gegenteil davon ab. Denn es geht meist im Rollenspiel ja nicht um das, was ist, sondern um das, was passiert!
Die Kunst guter Beschreibungen ist es demnach, präzise die richtigen, wichtigen Aspekte in der Runde zu etablieren. Schließlich handelt es sich um ein Phantasiespiel. Die Vorstellungskraft der anderen Spieler wird die Beschreibung mit allem Weiteren ausstatten. Das geht viel schneller, als alles einzeln aufzuzählen. Und es ist stimmungsvoller.
Schwarze Mauern aus Klinkern ragen 30 Meter in die Höhe. An jedem Ende der Mauer befindet sich ein 50 Meter hoher Wachturm mit Zinnen und Schießscharten. Im Hintergrund könnt ihr das Hauptgebäude der Burg sehen. Nur in einem Fenster brennt ein Licht, alles andere ist dunkel. Die Fahne auf dem einen der Wachtürme zeigt einen roten Adler auf grauem Grund. Ein starker Wind weht und treibt die Blätter durch die Luft.
Drohend steht das düstere Gemäuer hoch über Euch. Die Flagge eures Erzfeindes flattert einsam hoch oben auf der Spitze eines Wachturms. Abgesehen von einem einzelnen Licht ist die Festung stockfinster.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mir gefällt letztere Beschreibung wesentlich besser. Sie enthält alle wichtigen Information aus der obigen Beschreibung in weniger als dem halben Text. Dabei schafft sie es wesentlich besser, die Stimmung aufrecht zu erhalten - hoffe ich.
Das ist natürlich nur ein einzelnes, ausgeprägtes Beispiel, das der Illustration dient. Ich finde es wichtig, dass endlose Monologe verhindert werden. Sie sind nicht spannend. Spannend sind Handlungen, Interaktion.
Natürlich werden einzelne Details auf diese Art und Weise ausgelassen. Die können aber problemlos nachgeliefert werden, wenn sich jemand dafür interessiert. Etwa die Höhe der Mauer oder des Turmes. Wenn sich die Helden allerdings gar nicht für eine Besteigung des Turms interessieren, ist irrelevant, wie hoch er ist. Er ist bedrohlich, eine Festung - das reicht. Eine ausführliche Beschreibung von allen anwesenden Staffagen kostet zu viel Zeit und Spannung, um sie am Stück als Komplettangebot abzuwickeln. Denn in der Zwischenzeit rutschen die anderen Spieler auf ihrem Sessel auf und ab, schnipsen mit den Fingern und warten, dass sie endlich, endlich etwas unternehmen können.
Also mein Wunsch für Beschreibungen aller Art im Rollenspiel: knappe Präzision statt erschöpfende Menge. Und wenn man mit einer Aussage direkt mehrere Aspekte beschreiben kann, ist das nicht nur kürzer, sondern meist auch eindrucksvoller.
Addendum: Georgios befasste sich auf seinem Blog mit etwas nah verwandtem, dem ich nur zustimmen kann.
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Migration der Kommentare
PiHalbe — 26. August 2009 - 9:54Gleicher Meinung!
Das Prinzip gilt meiner Meinung nach auch für Blog Posts, Forenspiele, MUD/MUSH Spiele, und so weiter.
Hoffentlich
falle ich selbst noch nicht unter die Kategorie der Langblogger ... Ich gebe mir immer Mühe, mich kurz aber präzise zu fassen.
Knapp + Stimmung + Sinne
Kann ich nur zustimmen.
Hinzufügen würde ich noch: Stimmung wird oft leichter vermittelt, wenn dazu mehrere Sinne und v.a. Emotionen angesprochen werden.
Ein Satz pro Sinn reicht dabei völlig.
Du hast bei der zweiten Beschreibung im Vergleich zur ersten nämlich Emotionen angesprochen und Vergleiche genutzt, statt nur Werte runterzurasseln.
Aber Vorsicht: "Knapp und präzise" kann auch verstanden werden als
"Die Burg überragt euch. Auf einem Turm weht die Flagge eures Erzfeindes. Nur in einem Fenster ist Licht."
Das sind die Daten. Hier sollte dann in knappen Worten Stimmung dazu: "Was fühlt ihr"? (drohend, einsam, ...), "was seht, riecht und hört ihr"? (dunkel, ...)
Der Erzfeind ist ja schon drin -> Charaktere sollten dabei sein.
Ich weiß, dass mein Beitrag gerade etwas technisch klingt, daher noch ein Beispiel:
"Drohend ragt das düstere Gemäuer empor. Eisiger Wind trägt den Geruch von Fäulnis aus dem Burggraben herüber und fährt durch jeden Spalt eurer Kleidung. Hoch oben auf der Spitze eines Wachturms flattert einsam die Flagge eures Erzfeindes. Abgesehen von einem einzelnen erleuchteten Fenster ist die Festung stockfinster."
Schau einfach, wie die Szene die Charaktere berührt (ohne in ihr Charakterspiel einzugreifen) und beschreibe genau das.
Noch ein paar erklärende
Noch ein paar erklärende Worte, nachdem callme_ishmael meinen Eintrag wohl etwas missverstanden hat. Und ja, mein Beispiel könnte besser sein ...
Bei meinem Eintrag geht es nicht um "Show, don't tell". Der Titel lautet zwar "Beschreibe, aber fasse Dich kurz", könnte aber genausogut heißen "Zeige (so lange Du nur deutlich genug zeigst), aber fasse Dich kurz".
Mir ging es im Wesentlichen darum, darauf aufmerksam zu machen, dass ellenlange belanglose Ausführungen den Spielfluss hemmen. Gleiches tun vage Beschreibungen / Zeigungen.
Deswegen wünsche ich mir knackige Etablierungen der Szene, ergänzt durch weitere Ausführungen auf Anfrage.
Wenn die Spieler durch die Kanalisation oder das Portal wollen, ist es doch egal, wie hoch der Turm ist. Aber er ist da und er ist hoch. Wenn die Spieler den Turm besteigen wollen, bekommen sie diese Information auf Anfrage. Das strafft den Spielfluss enorm.
Wie oft wurden wir schon seitenlang vom SL zugedichtet, der sich haarkleine Beschreibungen für jedes Detail der Szene zurecht gelegt hatte, und diese nun auch verbraten wollte ... In der Zeit sitzt der Spieler auf dem Sofa, in Ketten gelegt und von zu viel Beschreibungen überfordert. Und hört schon längst nicht mehr zu, weil er mit den anderen überlegt, wie es weiter geht.
Das muss nicht sein.