Niederlagen im Rollenspiel
PiHalbe — 14. March 2009 - 10:12
Neulich wieder eine Grunsatzdebatte gehabt. Ein Thema war das Sterben von Charakteren, zu dem ich mich ein wenig auslassen will. Alles was folgt, ist meine deutlich gefärbte Meinung.
Dürfen Charaktere sterben?
Ja, natürlich dürfen Charaktere sterben. Nur die Art des Sterbens ist nicht immer gleich. Es kommt auf den Spielstil darauf an, wie Charaktere sterben können.
Eine wichtige Frage ist aber noch: Warum müssen Charaktere sterben können? Dazu gibt es verschiedene Ansätze:
- aus dramaturgischen Gründen
- damit die Spieler mitfiebern
- um zwischen Sieg und Niederlage zu unterscheiden
Alle diese Gründe sprechen einen anderen Spielstil an und sollten entsprechend in verschiedenen Spielgruppen Anwendung finden.
In einem Kampagnenspiel, wo ich meinen Helden liebe und pflege, werden Spieler gemeinhin nicht glücklich, wenn ihr Charakter wegen einer Lapalie stirbt - sei es ein Missverständnis, ein Scherz oder ein versemmelter Würfelwurf. Der Held darf sterben, wenn es dramaturgisch angemessen ist. In der Regel sollte der Spieler mit entscheiden, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist. Ein Spieler kann der SL auch zwischen den Zeilen (oder explizit) mitteilen, dass er es in dieser Situation darauf ankommen lassen möchte und bereit ist, seinen Charakter herzugeben. Wird der Charakter in einer anderen Situation umgebracht, so löst dies Frust aus - insbesondere bei Systemen mit aufwändiger CharGen (wie DSA4).
In anderen Spielstilen mag es angebracht sein, dass der Tod durch rein spielmechanische Elemente eintritt, damit die Spieler mit ihren Charkatere mitfiebern und das Spiel so intensiver erleben. Ein Spieler, der seinen geliebten Charakter ernsthaft bedroht sieht, wird sich stärker in die Bedrohung hinein versetzen, als jemand, der definitiv weiß, dass er überleben wird.
Und zu guter Letzt kann der Tod in stark Arcade-lastigen Systemen auch dazu dienen, dass die Charaktere neben einer eindeutigen Siegesmöglichkeit eine eindeutige Kondition für eine Niederlage haben. Stirbt der Charakter, hat der Spieler verloren. Das ganze funktioniert natürlich nur mit sehr strikten Regelwerken, wo der Spieler sich über die Auswirkungen seiner Handlungen im Klaren ist. Spielleiterwillkür zerstört in solchen Fällen das Erlebnis.
Nochmal zurück zum Anfang. Der Grund, aus dem wir auf diese Debatte gekommen sind, war folgende Frage:
Könnt Ihr beim Spiel zu wenig verlieren? Soll ich mehr Charaktere umbringen? (nicht wörtlich)
Dabei ist die zweite Frage nur ein kleiner Ausschnitt aus der Menge der Lösungen für die eigentliche Frage. Es soll also mehr auf dem Spiel stehen - warum unbedingt das Leben? Weil es das krasseste ist? Nicht für alle Charaktere. Die Helden können sehr wohl viel mehr verlieren, als nur ihr Leben:
- sie verlieren Bekannte oder Verwandte
- sie können ein Übel nicht mehr aufhalten
- ihre Ausrüstung wird entwendet (unbedingt Möglichkeit zum zurück holen offen lassen!)
- sie erhalten bleibende Narben - körperlich, geistig oder gesellschaftlich
Das Gute an diesen Rückschlägen ist, dass sie allesamt neue Plothooks bieten. Das macht den Charaktertod aus zweiterem Grund (mitfiebern) ziemlich obsolet. Der Tod nämlich lässt den Spieler einsam neben dem Spielplan sitzen, wenn man nicht eine Co-SL-Aufgabe für ihn hat oder er sich einen neuen Charakter erschaffen kann. In Systemen, wo Charaktere innerhalb von 5 bis 10 Minuten spielfertig sind, ist das kein Ding. Wenn allerdings bis zum Spiel 120 Minuten Herzblut fließt, ist das ein no-go (außer der Spieler ist einverstanden, natürlich). Das bringt mich zu einem wichtigen Thema: system does matter! Verschiedene Regelwerke eignen sich mehr oder weniger gut für den Charaktertod aus verschiedenen Gründen.
Mein Fazit ist also: Der Charaktertod gehört dazu, aber für meine Runden nur in ausgewählten Situationen mit Spielereinverständnis oder aus sportlichen Gründen, wenn die Charaktererschaffung nicht sehr aufwändig ist. Statt dessen lieber Rückschläge anderer Art; es kann viel mehr auf dem Spiel stehen, als nur das Leben.
Wie haltet Ihr das?
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Migration der Kommentare
PiHalbe — 26. August 2009 - 13:04Guter Beitrag
Guter Artikel, auch wenn ich nicht mit allem hundert pro übereinstimme. Hatte das Thema auch dieser Tage:
http://blogs.cloneworks.de/herzlich/?p=157
LG Joni
Ups
Ja, den hatte ich sogar gelesen. Aber erst nachdem ich diesen Artikel verfasst, aber bevor ich ihn veröffentlicht habe. Tut mir Leid, dass der untergegangen ist ...
Da haben wir - wie ich das sehe - ziemlich ähnliche Punkte aufgegriffen, haben nur einfach andere Vorlieben. Und in dem Punkt stimmen wir ja überein: die Helden müssen etwas verlieren können, es muss etwas auf dem Spiel stehen!
Naja, was heißt, es tut dir
Naja, was heißt, es tut dir Leid. Ich habe mich gefreut, als ich deinen Artikel gesehen habe, fands sehr interessant zu sehen, wie jemand anderes über das Thema denkt, über das ich die vergangene Tage nachgedacht habe :-). Jap, auf den Spiel stehen muss etwas :-). Nice Dice! Joni