Slumdog Millionaire, ein uninspirierter Film
PiHalbe — 9. October 2010 - 9:11
Gestern habe ich Slumdog Millionaire gesehen. Und ich war furchtbar enttäuscht. Als er raus kam, wurde er ja hoch gepriesen. Aber auch ohne den Hype, hätte ich ihn vermutlich enttäuschend gefunden.
Die Gründe sind folgende …
Der Aufbau der Erzählung, die reine Sturktur ist gut gemacht. Es gefällt mir, wie an Hand der Fragen im Quiz die Lebens- und Leidensgeschichte von Jamal und Co. beleuchtet wird. Das Ganze wird zwar etwas künstlich herbei geführt, aber alles in allem eine gute Idee. Und auch die Befragung durch die Polizisten – veranlasst vom Moderator, der um seinen Job fürchtet oder in Jamal einen Konkurrenten sieht – macht diese Erzählweise plausibel.
Auch die Darstellung der Lebensverhältnisse in der Unterschicht ist gut gemacht und eindringlich. Aber nichts neues eigentlich, oder? Geht es nur mir so oder sind diese Verhältnisse hinreichend bekannt (oder sollten es mittlerweile sein!)? In der Hinsicht finde ich den Film jetzt also nicht revolutionär oder erhellend.
Dann die Charaktere – sie sind extrem eindimensional. Der interessanteste Charakter mag hier noch Salim sein, der – so scheint es am Ende des Films – die ganze Zeit über einen inneren Konflikt geführt hat. Warum wird das nicht gezeigt? Von diesem Ausrutscher abgesehen sind die Charaktere immer einer Linie treu, die von Anfang bis Ende des Films nicht angekratzt wird – die Bösen sind abgrundtief böse und aggressiv, die Unsichere ist unterwürfig und unsicher und der Optimistische bleibt optimistisch und naiv. Charakterentwicklung suche ich vergebens.
Und der Moderator – eine Person, die offentsichtlich zwiegespalten ist – wird am Ende vollkommen vergessen! Was ist mit ihm, nachdem Jamal gewonnen hat. Der – wahnsinnig vorhersehbare – Konflikt mit Jamal um den Hauptgewinn wird aufgelöst … und der Moderator einfach vergessen.
Wahlweise witzig oder traurig finde ich, dass der Film vermutlich aus dem selben Grund so populär ist, den er für die Popularität von "Wer wird Millionär?" angibt: Die Hoffnung, entfliehen zu können. Vorteil des Filmes gegenüber der Show: man weiß, dass der Held es schaffen wird. Zeit für Tränen des illusorischen Glücks.
Dass die Handlung keine Überraschungen bringt und – bis auf Details – sehr früh absehbar ist, sollte eigentlich allen mittlerweile aufgefallen sein. Mann war arm, glaubt an Schicksal, wird reich und sexy. Klasse.
Ich will nicht sagen, dass der Film schlecht ist oder keine Berechtigung hat, aber mich hat er nicht mitreißen können und mich auch nicht sonderlich erhellt. Am interessantesten war noch der Anfang, danach wurde der Film für mich zu schnell ultra-berechenbar, flach und uninspiriert.
Noch zwei Bemerkungen, die in der Rezension nichts verloren haben:
- Slumdog Millionaire versagt beim Bechdel-Test auf ganzer Linie. Nicht ein einziges Kriterium kann er erfüllen (wenn man die für eine knappe Minute gezeigte Mutter nicht zählt). Nicht gerade erhellend für so einen "sozialkritischen" Film.
- Wie ist das eigentlich, wenn so Filme in Slums gedreht werden? Wird dann nachher der Müll, der so toll als Kulisse dient, beseitigt? Werden die Leute im Slum von der Crew versorgt oder dürfen die weiter im Dreck liegen? Oder wird das in Wirklichkeit alles ganz toll unter klinischen Studio-Bedingungen gedreht?
- Die fürchterliche Tanzszene am Ende möchte ich nicht weiter kommentieren … Das ist vermutlich eine Hommage an Bollywood, oder?
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