Rezension: Markus Heitz' Justifiers — Das Abenteuerspiel
PiHalbe — 11. February 2011 - 22:07
Markus Heitz' Justifiers — Das Abenteuerspiel
Rollenspielbuch
Ulisses Spiele, 2010
Autoren: Markus Heitz, Markus Plötz, André Wiesler
Eckdaten: Deutsch, Deutsch, Deutsch, 23 × 17 cm², 336 Seiten, Vollfarb, Hochglanz, Hardcover
Preis: € 29,95 → Amazon (PartnerNet)
ISBN: 978-3-86889-071-6
- starke Verknüpfung von Rollen- und Brettspielelementen
- gute Behandlung von Planetenerkundung
- Einführungsabenteuer behandelt nicht den ganzen Planeten
- top Verarbeitung und Gestaltung
- alle Informationen übersichtlich sortiert und am rechten Platz
- Tier-Mensch-Hybriden, Psionik, Künstliche Intelligenzen, Konzerne, Roboter, Cyberware
- etwas dröge Einführungskapitel, später sehr gut zu lesen
Nach gründlichem Lesen des Werkes kommt sie nun: die Rezension zu Markus Heitz' Justifiers von Ulisses Spiele.
Fazit
Justifiers ist anders. Es will kein klassisches Rollenspiel, sondern ein action- und coolness-geladenes lockeres Spielerlebnis bieten, mit einer gehörigen Portion Erkundung fremder Welten. Dabei geht es ungewöhnliche Wege um diese Konzepte mit einander zu vereinen, aber letztlich greift eines ins andere; Brett- und Rollenspiel werden harmonisch vereint. Wer auf Weltraum, Planetenreisen, Mensch-Tier-Mischwesen, SpaceOpera, Psi, Technik und Survival steht, ist hier genau richtig. An ein paar Stellen wäre mehr Inhalt schön, aber es ist genug Material enthalten, um einen Trupp Justifiers eine Zeit lang bei der Stange zu halten.
Gesamteindruck
Wie auch John Sinclair – an dem sich Justifiers eben messen lassen muss – kommt es in einem sehr gut verarbeiteten, gebundenen Buch daher. Die Seiten sind durchweg in Vollfarbe und Hochglanz, fühlen sich stabil an und sich gut zu lesen. Auch ein Lsebändchen wurde wieder spendiert. Nicht zu vergessen: das Buch ist schon vom Umfang eine Wucht, auch wenn an einigen Stellen durchaus Ergänzung wünschenswert wäre. Die Illustrationen sind schön und stimmig. Sie drängen sich nicht auf, sondern verleihen dem Text Stimmung und Anschauung. Die Illustrationen sind bunt, spacing und cool. Alles, was man sich wünschen kann.
Die Struktur der Abenteuerspiele kann ich nur immer wieder loben. Die Erklärungen sind verständlich und nahezu alles ist am rechten Platz. Auch werden die Autoren nicht müde, wichtige Hinweise an den Stellen zu platzieren, wo sie gebraucht werden – selbst wenn sie sich dafür wiederholen. Lästiges Blättern kan nso oft vermieden werden, wenn es um die Klärung von Fragen geht. Zu Beginn hat das Buch mit einer gewissen Trockenheit zu kämpfen, die aber spätestens ab dem Einführungstext von Ice McCool Geschichte ist. Anfängliche eventuelle Verwirrungen um das duale Spielkonzept mit Erkundung und Abenteuer werden durch Beispiele und die Einführungsmission aufgelöst. Leider schleichen sich immer wieder Lektoratsfehler ein, die zum Glück aber nicht verwirren. Vielleicht bin ich da einfach zu pingelig.
Zum Spiel kann ich nur sagen: Hut ab. Ein interessantes Experiment, das hoffentlich aufgeht. Man entfernt sich noch weiter vom klassischen Rollenspiel als schon bei John Sinclair und führt weitere Brettspielelemente ein. Das Spiel unterscheidet zwischen dem Explorationsmodus, in dem der Planet großräumig erkundet wird und die Justifiers im Schnelldurchlauf ihrer Arbeit nachgehen, und dem Abenteuermodus, der einzelne Ereignisse und die sich daraus ergebenden, nun ja, Abenteuer behandelt. Die beiden Modi orientieren sich jeweils eher an Brettspiel respektive Rollenspiel. Und dann gibt es noch den Weltraummodus, der eher an eine Kampfsimulation erinnert. Ein ungewöhnliches Spielkonzept, das jedoch hervorragend auf das angestrebte Spielgefühl passt. Auch das leichte und schnelle Regelwerk Ulisses Universal fügt sich gut in das actionlastig, locker-coole Ambiente des Spiels. Ach ja, erwähnte ich bereits, dass man Betas spielt? Eine Art Mensch-Tier-Hybriden, die aus den Klontanks der Konzerne entstiegen. Um ihre Lebensschuld zu begleichen prospektieren sie ferne Welten mittels TransMatt-Reise durch den Weltraum. Natürlich sind diese Welten gefährlich, bewohnt und vor allem begehrt. Und psionische Kräfte, mysteriöse K.I.s und Roboterarmeen dürfen auch nicht fehlen. Da ist also genug Platz für jede Menge Abenteuer!
Kapitel
Kurzgeschichte von Markus Heitz — Hier gibt es erstmal Prosa. Man begleitet ein Team von Justifiers auf ihrer Mission bei der Erkundung eines Planeten, wobei sie Probleme mit anderen Justifiers bekommen, den Einheimischen begegnen und auf uralte Artefakte der später im Buch öfter vorkommenden Ancients stoßen. Leider vermag mich die Geschichte nicht zu fesseln. Vermutlich liegt es daran, dass sie zu sehr an einer tatsächlichen Abenteuerspielrunde orientiert ist. Persönliche Entwicklung, Aussagen oder ein subtiler Aufabu fehlen hier völlig. Es liest sich so, wie sich ein in-game-Mitschnitt eines Abenteuers (mit der Ausnahme, dass sich die Justifiers hier trennen). Das ist als plastisches Beispiel sehr dienlich, aber eben nur begrenzt spannend. Aber wir sind ja nicht für Prosa hier. Sehr nett: Die Charaktere der Geschichte trifft man als Mentoren und Kommentatoren im Buch wieder.
Zeitleiste — Nun wird es leider etwas trocken. Die Zeitleiste (das oft grauenhafteste Kapitel eines Quellenbuches) ist zwar recht kurz gehalten, aber dennoch trübt das harte Faktenaufzählen (teils ohne Bezug) die Lesefreude. Mit einem echten Zeitstrahl mit Kommentaren anderer Justifiers hätte man hier deutlich mehr heraus holen können. Zum Glück ist der Zeitstrahl nicht allzu lang.
Das Leben 3042 — Ahhh, es geht doch. Hier wird ein Gutteil des Zeitstrahls sowie ein guter Batzen Informationen zur Welt schön verpackt von Ice McCool – dem Eisbären-Beta der Kurzgeschichte – an die jungen Kadetten vermittelt. Sehr gut zu lesen, unterhaltsam und informativ. War der Zeitstrahl sehr abstarkt, geht Ice wesentlich besser auf die wirklich wichtigen Dinge im Universum ein.
Gauss Industries — Ein kurzer Abriss über den Konzern, dem die Justifiers zu Beginn angehören. Hier finde ich es schade, dass in diesem ersten Buch nur ein einziger Konzern überhaupt ernsthaft vorgestellt wird, aber vermutlich wird da im Laufe einer Art Kampagne (und in JUST News) noch etwas nachgelegt. Die Kon-Beschreibung ist nicht zu lang und geht vor allem auf die für Justifiers wichtigen Aspekte und Ortlichkeiten ein. Kurz und knackig.
Regeln — Justifiers benutzt im Wesentlichen die selben Regeln wie John Sinclair, das Ulisses Universal. Änderungen betreffen im Wesentlichen den Fernkampf (es gibt drei Reichweitenzonen) und Fahrzeuge. Das Kapitel beginnt mit einer Einführung, wie eine Spielrunde aussieht, übliche Einführunstexte. Dann geht es weiter mit den Werten eines Justifiers, die drei Attribute, Fertigkeiten, Sonderfertigkeiten, Ausrüstung, Herausforderungen, Schicksalspunkte, Kampf und Schadensarten. Wer Ulisses Universal nicht kennt: es ist ein schnelles, leichtes System, sehr ausbalanciert, eher klassisch aber mit einigen modernen Einflüssen und dem Einsatz von Spielkarten, die den Charakteren oder dem Erzähler weitere Vorteile bringen. Die Regelaspekte dieser Karten und der neue Aspekt des Explorationsmodus wird weiter hinten beschrieben.
Erschaffung eine Justifiers — Klassische Charaktererschaffung. Übersichtlich gestaltet und durchweg mit interessanten Kommentaren anderer Justifiers versehen. Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Kapitel sicherlich auf den zehn Beta-Rassentypen, die einzeln illustriert sind. Schade, dass in diesem Buch noch keine Insekten, Reptilien, Vögel und Wassertiere vertreten sind. Ich hoffe, dass dies in den kommenden Veröffnetlichungen nachgeholt wird.Die acht Spezialisierungen (also den Aufgaben innerhalb des Teams) wirken auf mich schon recht vollständig und sind gut abgegrenzt. Danach gibt es noch eine übersichtlich gestaltete Liste von besonderen Eigenschaften und am Ende ein wenig Informationen zu Psi-Begabungen. Letzteres wird sicherlich im Laufe der Zeit noch ausgebaut. Alles in allem ein sehr brauchbares Kapitel, das logisch, übersichtlich und gut zu lesen ist.
Beispiel-Justifier — Zehn Beispielcharaktere, die so ziemlich jede Erschaffungsoption einmal durchspielen und somit als gute Referenz dienen um sich einen Überblick zu verschaffen.
Waffen und Ausrüstung — Nun geht es um das Fleisch auf den Knochen der Justifier: Ihre Ausrüstung. Zunächst gibt es kleine Regelerläuterungen zu persönlicher Ausrüstung, danach zwei Tabellen deren jeder Eintrag mit einem Beschreibungstext aufwarten kann. Das ist eine Tugend, die beibehalten werden sollte! Die Ausrüstung ist über ein breites Spektrum verteilt, und sowohl stil- als auch sinnvoll. Durch das Ulisses-Universal-typische Balancing ist – swoweit erkennbar – alle Ausrüstung wirklich nutzbar. In anderen Spielen gibt es da oft ein objektives Gut-Schlecht-Gefälle. Das ist hier schön umgangen worden.
Das Shuttle — Hier geht es um die Fahrzeuge. Nicht – wie man bei dem Titel vermuten würde – nur um das Shuttle, sondern auch um Erkundungsfahrzeuge. Es gibt also alles von Quads über Hovercrafts bis VTOLs. Leider fehlen hier bisher die Wasserfahrzeuge (die natürlich nicht so weit verbreitet sind), aber das ist hoffentlich in Arbeit. Es sei angemerkt, dass sämtliche Fahrzeuge zur Mission (und nicht zum Charakter) gehören. Die Justifiers können vor jedem Auftrag von neuem aus dem Vollen schöpfen und sich ihren Team-Fahrzeugpool zusammen stellen. Es gilt also, sich auf die individuellen Anforderungen der Mission anzupassen (soweit bekannt). Dann geht es ans Shuttle. Zunächst mag es irritieren, dass es nicht durch eine zentrale Eigenschaft (eine Karte), sondern vor allem durch seine Module (ein Stapel Karten) definiert wird. Das ergibt aber mehr Sinn, wenn man sich bewusst macht, dass das Shuttle für das Spiel viel mehr die Bedeutung einer Basis hat. Wichtig ist noch anzumekren, dass die Fahrzeuge (soweit das abzusehen ist) nur für den sogenannten Explorationsmodus, nicht aber für den Abenteuermodus ("normales" Abenteuerspiel) genutzt werden. Insgesamt sind hier schöne Lösungen gefunden worden, die ich gerne mal in Einsatz sehen würde.
Die Mission — Ein Justifiers-Spiel ist in zwei verschiedene Modi geteilt: den Explorationsmodus und den Abenteuermodus. Diese werden hier erklärt. Im Explorationsmodus wird der Planet im Groben erkundet. Es können verschiedene Gebiete auf dem Planeten von einzelnen oder mehreren Justifiern besucht und erforscht werden, aber auch Reparaturen, Erholung und Forschung stehen an. Hier gibt es immer wieder kleinere Begegnungen, aber im Wesentlichen wird hier keine zusammen hängende Geschichte aufgebaut. Der Reiz liegt im Optimieren der Erkundung und vor allem im Entdecken einer fremden Welt. Im Explorationsmodus wird die Zeit in Tagen und Wochen gemessen und das wichtigste im Zeitraffer abgehandelt. Der Abentuermodus hingegen ist das, was gemeinhin als Rollenspiel aufgefasst wird. Hier agieren alle Spieler gemeinsam und versetzen sich viel unmittelbarer ins Geschehen. Der Fokus liegt hier auf einzelnen Handlungen, nicht auf großen Zeitskalen. Nach dem Lesen der Mission Holz 11 entsteht bei mir der Eindruck, dass Exploration und Abenteuer auf ähnliche Anteile an der Spielzeit kommen könnten, mit vielleicht einem kleinen Schwerpunkt auf dem Explorationsmodus. Dieses duale Konzept ist interessant, erfrischend und für ein solches Prospektionsspiel sicherlich sehr gut geeignet. Ich bin gespannt, wie es sich dann tatsächlich spielen wird.
Sonderkarten — Hier wird noch einmal auf die Sonderkarten für die Justifiers und den Erzähler eingegangen. Anders als bei John Sinclair werden die Karten hier nicht offen ausgelegt und bei Bedarf gekauft. Stattdessen werden die Karten gemischt und von einem Deck gezogen. Dabei setzt sich das Deck jeweils aus allgemeinen, konzernspezifischen und missionsspezifischen Karten zusammen. Karten, die zu speziellen Umständen in der Mission wirksam werden gibt es zwar auch, aber sie scheinen deutlich rarer zu sein, als etwa bei John Sinclair. Die Wirkungen der Karten selbst hingegen sind eher bekanntes Ulisses-Universal-Material.
Mission Holz 11 — Die erste Mission ist nicht vollständig. Jawohl, die Mission beginnt in diesem Buch und wird dann in der Mitte unterbrochen. Einerseits verzeihlich, da die Mission sehr umfangreich ist und das Buch schon dick genug ist, aber esirritiert mich dennoch, dass die Mission mit diesem Buch alleine nicht beendet werden kann. Erst der Nachfolgeband "Mysteries" verspricht Abhilfe, ist aber zum Zeitpunkt der Rezension noch nicht in Sicht. Davon abgesehen ist die Mission durchaus interessant. mal wieder ist alles am rechten Platz, an die – wegen des ungewöhnichen Spielprinzips – ungewöhnliche Struktur der Mission gewöhnt man sich schnell und findet die benötigten Informationen schnell. Zwar lässt die Mission ein wenig Vielfalt der Interaktion vermissen, aber das ist für das Debut der Justifiers vermutlich sogar eher förderlich. Dafür ist sie aber ausgeglichen und fordert im Rahmen der Möglichkeiten alle Fähigkeiten der Justifiers und geht auf alle Konzepte des Spiels gut ein. Und immerhin: die Mission bricht nicht irgendwo im Nirgendwo, sondern an einer guten Schnittstelle ab.
Anhang — Hier gibt es noch Kopiervorlagen für alle Karten und Bögen, die für das Material aus diesem Buch benötigt werden. Besser ist man jedoch sicherlich bedient, sich die entsprechenden Dokumente über die Website zu besorgen und auszudrucken.
Das hier rezensierte Exemplar wurde freundlicher Weise von Ulisses Spiele zur Verfügung gestellt.
Zum Zeitpunkt der Rezension habe ich das Spiel noch nicht selbst gespielt.
JUST News ist eine elektronische Publikation von Ulisses Spiele, die weitere Informationen und Spielelemente für Justifiers in den Äther trägt. Bisher sind zwei Ausgaben mit Regeln zu Menschen, neuer Ausrüstung, einem neuen Konzern, einer Kurzgeschichte und einem Abenteuerelement erschienen.
- Login to post comments
- 16569 reads